Verheißungsvoller Saionauftakt mit lustvoller Inszenierung von Ellen Schwiers
Der Auftakt ist gemacht, die Theatersaison ’95 verheißungsvoll mit Shakespeare eröffnet. Ein nahezu gefülltes Haus machte mit dessen letzter großer Komödie „Was ihr wollt“ erlebbar, was auf diesem Niveau eben nur Theater möglich macht: mit einigen hundert Menschen, die den Raum noch anonym betreten haben, gemeinsam zu lachen, die geistvolle Auseinandersetzung mit einem der großen Texte der Weltliteratur zu erleben, sie mitzuvollziehen: unmittelbar dabei zu sein, wie Kunst entsteht.
Die lustvolle Inszenierung von Ellen Schwiers, die nach etwas gehäuften erotischen Anspielungen allerdings erst nach einiger Zeit in Fahrt kam, war reich an klugen und witzigen Einfällen. In den komödiantischen Schlüsselszenen (Auftritt der Fechter, Briefszene des Malvolio) war die Grenze zum Klamauk schon in Sichtweite, ohne sie letztlich ganz zu erreichen. In diesen Reigen von Theatergags gehörten das synchrone Liebesstöhnen von Maria und Junker Tobias, der Tanz der „Verschwörer“, das köstliche Stellungsspiel der Fässer in der angesprochenen Malvolio-Szene oder des Herzogs selbstvergessene Verwendung des Narren-Gewandes als Handtuch. Thomas Killinger und Lobo Bauer agierten dabei abwechslungsreich als kommentierende Bänkelsänger, denen der Kontakt zum Publikum sogar einen Kuss in die erste Reihe nachsah.
Christoph Grunert nahm man seine vordergründig-schwärmerische Verliebtheit als Orsino ohne weiteres ab; seine letztlich zweifelhafte und oberflächliche Haltung dem anderen Geschlecht gegenüber besonders anschaulich zu machen, ist sicher auch der Inszenierung durch eine Frau zu danken: seine Heirat mit Viola am Ende des Stückes verheißt unter diesem Aspekt nichts Gutes.
Dargestellt von Josefine Merkatz wuchs diese am schnellsten in ihre vielen Rollen hinein, am überzeugendsten dann, wenn sie ihr Verwechslungsmarathon wieder einmal in die Enge getrieben hatte. Philipp von Issendorff als Bruder Sebastian, stets ein wenig zu freundlich und erstaunt dreinblickend, wirkte daneben doch ein bißchen harmlos. Auch Patrice Gilly (Kapitän und Antonio) und Jürgen Lier (Kavalier Valentin) schienen ihren Rollen etwas fremd gegenüber zu stehen.
Eva Röder spielte die Kammerzofe Maria temperamentvoll und gutgelaunt – ihrer „Lachnummer“ wünschte man noch größere Intensität.
Ein köstliches Männerpaar gaben der stetes betrunkene Guntram Wischnewski (Junker Tobias) und Frank Hangen (Junker Andreas ) ab, letzterer einer Otto-Imitation oft verdächtig nahe. Gleichwohl schöpfte er deutlich häufiger aus einem reichen Fundus mimischer und gestischer Möglichkeiten, zu der diese zur Plattheit so reichlich einladende Figur ja ständig verführt. Glanzvoll die Konsequenz, mit der Hans Zwimpfer die unterschiedlichen Episoden des so böse verspotteten Malvolio vorträgt – sein genußvoll reifender Entschluss, auf die lächerlichen Erwartungen der vermeintlichen Briefschreiberin eingehen zu müssen, wurde mit Extrabeifall bedacht, ebenso sein unmöglicher Auftritt in gelben Strümpfen und den gekreuzten, ihn geradezu verkürzenden Bändern. Evelyn Fuchs (Olivia) spielte die Verwunderung der Gräfin, aber auch das plötzliche Liebeserwachen beim Auftreten der Viola glaubhaft, manchmal selbst für Komödienverhältnisse allerdings etwas plakativ. Souverän und ideal besetzt Dirk Bender als Narr der Olivia. Sein ganzer Habitus überzeugte, und – die Bandbreite der spielerischen Anforderungen vom verschlagenen Bettler bis zur respektierten Autorität gelangen ihm buchstäblich spielend. Zusammen mit Viola war er Gewähr dafür, daß der Unterschied zwischen Lustspiel und Komödie deutlich blieb. Sein nachdenkliches Schlusslied mit den berühmten Zeilen „denn der Regen, der regnet jeglichen Tag“ traf auf ein Publikum, das herzlich und dankbar applaudierte: herzlich ob der dargebotenen Leistung, und dankbar wohl auch, weil die Theaterpause vielleicht doch recht lange währte…