Uli Boettcher: Ü40 – Die Party ist zu Ende?

LINDAU – Traum jeden Veranstalters: ein ausverkauftes Haus, bevor überhaupt das erste Plakat hängt. Traum jeden Besuchers: mit seiner Eintrittskarte das richtige Los gezogen zu haben. Im Zeughaus sind jetzt beide Träume Wirklichkeit geworden. Grund genug also zu lachen: der Verein über den Riesenandrang, die Zuschauer über Uli Boettchers neues Programm.

Eigentlich muss Uli Boettcher gar nicht mehr wissen, wie weit er mal zu weit gehen darf. Seine Gabe, kesse Sprüche und deftige Anspielungen gegenüber einzelnen Zuschauern mit Charme und schauspielerischer Klasse abzufedern, hat er mittlerweile perfektioniert. Und wer dann immer noch ein wenig schlucken muss, wird zumindest vor so viel Schlagfertigkeit in die Knie gehen, Kenner von Boettchers Kult gewordenen Auftritten wissen natürlich, dass es für ihn geradezu eine Einladung ist, wenn da beispielsweise jemand, der sich als Vertreter der Telekommunikation outet, zu spät kommt, sich in die erste Reihe setzt und dann auch noch mit zwei Handys bewaffnet ist: Man darf getrost darauf wetten, dass ein solcher „Tatbestand“ hinfort ins Programm fließt – genüsslich und erbarmungslos.

Dieses Programm ist ganz neu, nennt sich „Ü40 – die Party ist zu Ende“, und es macht sich zur Beschreibung der ersten vierzig Lebensjahre den Umstand zunutze, dass es dazu möglichst vieler Abkürzungen bedarf, um sich auf der Höhe des Zeitgeistes zu erweisen. Als Merkhilfe benutzt Uli Boettcher dafür die Symbole von Spielkarten. Das Ende der Kindheit mündet dann beispielsweise in einem „K.a.r.o.“ (Kinderwagen ade, Roller okay), während für die Zeit der beginnenden Mid- life-Crisis das „K.r.e.u.z“ herhalten muss: Kleines Reihenhaus Erstellt, Unabhängigkeit Zerfällt. Mag sein, dass dies als Abschluss der jeweiligen Dekaden nicht sonderlich originell ist – der Rest ist es umso mehr. Vom ersten Schultag (Lehrerin: „Kinder, jetzt kennt ihr meinen Namen; nun schreibt mal die euren auf ein Schild“) bis zur Zeit, wo man die meisten Fehler macht (es ist die zwischen dreißig und vierzig), brennt er ein wahres Feuerwerk köstlichster Episoden ab.

Die Schilderung seiner ersten Begegnung mit jenen anderen Wesen, den weiblichen nämlich, erweist sich dabei als schauspielerischer Leckerbissen. Übertroffen wird er vom sprachlich umwerfenden Dialog zwischen einem Vater und seinem 15-jährigen Sohn: die Absicht, diesem die Leviten wegen einer Banalität zu lesen, wird zum eigenen Desaster, weil er es ist, den jetzt der Sohn als Versager brandmarkt. Seine Brandrede gegen die Qualen von Elternabenden scheint ebenso die Erfahrungswelt vieler Zuhörer getrogen zu haben wie die, wenn es um Kreditverhandlungen in einer Bank geht.

Schlagfertigkeit unübertroffen

Natürlich ist es müßig, einen solch temporeichen und gagbeladenen Abend in eine dünne Besprechung zu fassen. Man muss dabei gewesen sein, und sei es nur, um am Beispiel Wallensteins den Begriff „Semantik“ erklärt zu bekommen: es ist ein Highlight, mit dem Uli Boettcher seinen Ruf als unverwechselbarer Kabarettist grandios unterstreicht, der an Schlagfertigkeit nur von wenigen übertroffen werden dürfte.