Noch heute reißen die Swing-Nummern mit

LINDAU – Angesichts der Stimmung im Zeughaus und der musikalischen Klasse auf der Bühne wünscht man sich, dass auch die Seepromenade gelegentlich mit solchen Leckerbissen aufwarten würde. „Swing Alive“ hat bewiesen, dass man für gewisse Events durchaus auch Musikklassikern vertrauen kann, die nicht von CCR oder Boney M. stammen.

Zugegeben: Der Titel „Swing, Tanzen verboten“ und die Ankündigung, dass sieben Musiker etwas von der „Geschichte des Swing in Nazi-Deutschland“ erzählen würden, ließ zunächst wenig Rückschlüsse auf das zu, was sich im Zeughaus zutragen würde.

Die meisten der vielen Zuschauer ahnten aber wohl, dass hier ein paar exzellente Jazzmusiker und ein brillantes Frauenterzett antraten, um die unverwüstlichen Ohrwürmer der Swing-Ära in zeitgemäße Glanznummern zu verwandeln. Als sie schließlich mit einer geradezu lasziv wirkenden Fassung von „Rum an Coca Cola“ und ausgestattet mit Akkordeon, Trompete und Tambourin durch den Saal zogen, gab es wohl kaum noch jemanden, der nicht von der unmittelbaren Wirkung der Musik angesteckt war.

Uli Fiedler ist Bassist dieser Jazz-Formation und spielt genauso wie Daniel Mark Eberhard (am E-Piano und Akkordeon), Josef Flolzhauser (Gitarre und Trompete) und Walter Bittner am Schlagzeug mit einer solchen Präzision und Hingabe, dass jedem Jazzfan das Herz höher schlagen musste.

Dass man mit Stücken wie „Bei mir biste scheen“, „In the Mood“ oder „Sing, sing, sing“ jederzeit für gute Stimmung sorgen kann, ist in Musikerkreisen natürlich bekannt. Wenn dann von den drei fantastischen Sängerinnen (Barbara Frühwald, Ute Legner und Andrea Rother) gleich zwei pfeifen können – unerlässlich für einige Ilse-Werner-Titel, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Denn einerseits drehte sich das Repertoire um Künstler wie Ilse Werner oder Marika Rökk, die von den Bestimmungen jener dunklen Zeit künstlerisch durchaus zu profitieren wussten – und sei es nur, dass sie amerikanische Swing-Nummer so weit eindeutschten, dass das alberne Ergebnis sogar vor den Machthabern bestehen konnte.

Andererseits zeigte es die – im wahrsten Sinne des Wortes – „unerhörte“ Fülle von Titeln, die nur unter Gefahren, gar nicht oder eben erst später in Deutschland gehört werden konnten. Es ist ein Verdienst dieses Septetts, daß es den musikalischen Teil seines Programms in bezwingender und unwiderstehlicher Qualität auf die Bühne brachte, ohne den geschichtlichen Hintergrund aus dem Auge zu verlieren.

So war man zwar dankbar, weil vertraute Evergreens in einen neuen Zusammenhang gebracht wurden. Den stärksten Eindruck wird bei den meisten aber dennoch die mitreißende Musik dieser Zeit gemacht haben – und dafür wurde sie letztlich auch komponiert.