Komödie ohne Feuer
Wenn es zur Handlung einer Komödie gehört, dass drei Bühnenstars aus einer Familie plötzlich gezwungen sind, unter einem Dach zu leben, ist die Gefahr der Übertreibung groß. Zumindest dieser Versuchung ist das „a.gon-Theater München“ nicht erlegen.
Nach mancher Wahlkampfdiskussion waren oft die ersten Kommentare und Reaktionen des Publikums am interessantesten: „Der war heute aber stark“, hieß es dann, oder „eigentlich hätte ich von dem mehr erwartet“. Damit ist vorerst einmal Schluss. Im Theater, beim Gang zur Garderobe, geschieht nach dem Vorstellungsende ähnliches: von „langweilig“ bis „bin begeistert“ reicht dort die Palette der Eindrücke, und gelegentlich ist es eine Herausforderung, solche Extreme in einer Besprechung zusammenzufassen.
In der Komödie „Liebeslügen“ lebt die Theaterdiva Mallory – in den beißenderen Zeitungskommentaren schon mal „alternde Theaterlegende“ genannt – mit ihrem Sohn Christian zusammen; der hat nach einer frühen Karriere als Kinderstar das Handtuch geworfen, weil Mutters Schauspielerdasein allzu viel seiner Kraft und Nerven beansprucht. Diana Körner bringt diese Rolle souverän und glaubhaft auf die Bühne, und Ottokar Lehrner blüht spielerisch in dieser anstrengenden Familienkonstellation regelrecht auf. Zu allem Überfluss platzt nun sein Großvater Edmund in Gestalt von Wolfgang Hinze herein und gesteht, dass er wohl ziemlich über seine Verhältnisse gelebt habe, vollkommen pleite sei und hiermit um ein Quartier bitte: eine harte Prüfung für den Zusammenhalt einer Familie und den Grad der Liebe untereinander, die so etwas doch ermöglichen müsse. Der plötzliche Herzinfarkt des Großvaters lässt der Tochter und dem Enkel keine andere Wahl, und hier kommt auch die junge Pflegerin Alice ins Spiel: Jenny-Joy Kreindl, im richtigen Leben die Tochter von Diana Körner, gelingt es überzeugend, den Begriff Liebe auch auf die Bereiche auszudehnen, die mit Zuwendung, Anteilnahme und Pflege zu tun haben, und die anderen darüber nachdenken zu lassen, ob ihre Beziehung untereinander vielleicht nur „Lebenslügen“ waren.
Inhaltlich einseitig
Bis hierher dürfen die vernommenen Kommentare beim Garderobengang „gut gemacht und gut gespielt“ den Akteuren und der Regie von Stefan Zimmermann zugerechnet werden. Schwieriger wird es beim Stück selbst. Theaterfreunde werden die zahlreichen Zitate und Anspielungen auf andere Werke – etwa Shakespeare, O’Neill oder Tennessee Williams – genossen haben, ebenso die Momente, wo der verbreitete Hang zu platter Oberflächlichkeit demonstriert wurde, wie das Nic Aklin so köstlich getan hat. Und die realistischen Einblicke auf das Theatervolk und die Liebeserklärungen auf das, was Theater sein und bewirken kann, wird für seine Verfechter Balsam gewesen sein. Insofern hat man stets gespürt, dass da einer weiß, wovon er spricht. Allerdings bedurfte es schon einiger Anstrengungen, um den dramatischen Bogen sichtbar zu halten und der inhaltlichen Einseitigkeit theatralisches Feuer zu verleihen. So blieb der Unterhaltungswert der Komödie begrenzt, zumal sie sich auch im zweiten Teil nicht steigerte.