Lautstarker Applaus für ein gut eingespieltes Ensemble
Wenn „Schiller“ drauf steht, müssen die Schüler rein ins Theater. Doch als die 170 Minuten um waren, die Publikum und Schauspieler gleichermaßen in Anspruch nahmen, waren es vor allem die Jungen, welche die Aufführung der „Neuen Bühne Senftenberg“ aus Brandenburg mit lautstarkem Applaus bedachten.
Eine Weile dauerte es schon, bis man sich an das Pathos und den wortreichen Überschwang dieses ungleichen Liebespaares Ferdinand und Luise gewöhnt hatte. Ältere im Publikum indes werden daran erinnert worden sein, wie ertragreich Schillers Texte waren, um Poesiealben und Liebesbriefen jenes Gewicht zu verleihen, von dem heute keine E-Mail und kein Internet-Chat mehr etwas ahnt. „Kabale und Liebe“, ein Werk des 23-jährigen Dichters, stellt zwar diese tödlich endende Liebesgeschichte in den Mittelpunkt, doch zeigt es vor allem, dass Lüge, Druck und Intrige keineswegs nur bekannte Methoden unter den Mächtigen sind, sondern dass auch bürgerliche Familien durchaus anfällig dafür sind: der Druck, der höheren Orts mit „politischen Interessen“ begründet wird, findet im Kleinen durchaus seine Entsprechung, nur müssen dort die Moral, die Religion oder der elterliche Gehorsam als Begründung herhalten.
Intendant und Regisseur Sewan Latchinian, der die Neue Bühne Senftenberg vor drei Jahren zum „Theater des Jahres“ empor gehievt hatte – und das gleichrangig neben Berlin, Hamburg und München! – scheint Erfahrung mit solchen Stoffen zu haben, die zur politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung einladen.
Gut eingespieltes Ensemble
In „Kabale und Liebe“ verzichtet er auf eine ausladende Bühnenausstattung, sondern vertraut auf sein gut eingespieltes Ensemble, das die unheilvollen Konflikte zwar in historischen Kostümen, aber mit umso zeitgemäßerem Spiel umsetzt. In trostlosem Grau bahnt sich das „bürgerliche Trauerspiel“ seinen Weg ins Desaster, und die klar gezeichneten Charaktere – allen voran Mirko Zschocke als gewissenloser Präsident und Heinz Klevenow als zerrissener, aber durchaus autoritärer Vater Luises – lassen keine Zweifel aufkommen, dass dies kein gutes Ende nehmen wird. Inga Wolff und Juschka Spitzer bilden als brave Luise und herrische Lady Milford einen Kontrast, wie er auch optisch kaum größer denkbar ist; ihnen gegenüber kann Lutz Aikele als aufmüpfiger und hoffnungslos verliebter Präsidentensohn Ferdinand all die erforderliche Leidenschaft, aber auch seine Anfälligkeit für überzeugend präsentierte Verlockungen ausspielen. Auch der Hofmarschall, Sekretarius Wurm und Mirko Warnatz als anklagender Kammerdiener sind bestens besetzt, so dass der Schlussbeifall wohl auch der homogenen Ensembleleistung gilt.
Als willkommenes „Spiel im Spiel“ darf die viel beklatschte Zwischenaktmusik gelten, wo Kirsten Funke mit ihrem stimmungsvollen Cellospiel und Mirko Warnatz als geschickter Stuhlträger immer wieder die kurzen Umbauphasen überbrückten und so auch für heitere Verschnaufpausen sorgten.
Nichts an Wirkung verloren
„Kabale und Liebe“ mag als Schauspiel fernen Zeiten entstammen; in seiner Kombination von verhängnisvoller Liebesgeschichte und dem Fingerzeig auf das, was sich in den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten damals wohl ebenso abspielte wie heute, hat es offensichtlich nichts von seiner Wirkung verloren.