LINDAU – Wenn traumhaftes Wetter herrscht, das Stadttheater aber trotzdem neun Stunden lang voll ist, muss es dafür gute Gründe geben. Die lieferten in der Tat die meisten der 16 A-Cappella-Vokalensembles, die sich dort dem Urteil der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK) und des Publikums stellten.
So ist es an diesem Tag vielen Besuchern ergangen, die sich zwischendurch mal einen Eindruck vom Können dieser meist professionellen Gesangsgruppen machen wollten: Sie sind angesichts der umwerfenden Qualität im Lindauer Stadttheater geblieben und haben sich auch gerne an dem manchmal tosenden Beifall beteiligt, der sich über die Sängerinnen und Sänger ergoss, die an diesem Tag auftraten.
Wie bei der IBK üblich, wurden die Künstler von den Kantonen und Bundesländern nominiert, die am Bodensee liegen. Jetzt war wieder einmal die Stadt Lindau an der Reihe, die als Gastgeber für die Jurierung des diesjährigen Förderpreises von allen Seiten höchstes Lob erhielt – nicht zuletzt deshalb, weil die Organisation perfekt und das Interesse der Bevölkerung riesig war.
Der Preis selbst wird offiziell zwar erst im November dieses Jahres verliehen, doch am Sonntag hatten bereits die vielen Zuschauer die Möglichkeit, den Publikumspreis zu verleihen. Dieser fiel – fast war es zu erwarten – an die fünfköpfige Boyband „Viva Voce“ aus Bayern. Denn was die ehemaligen Mitglieder des Windsbacher Knabenchors hier mit ihrem Auftritt vollführten, war in Sachen Bühnenpräsenz, Witz und gesanglicher Klasse kaum zu überbieten. Ein paar wenigen der Teilnehmer dürften hier ihre Grenzen und die Unterschiede aufgezeigt worden sein, andere werden wohl wertvolle Impulse erhalten haben, die es später vielleicht einfacher machen, sich innerhalb einer so starken Konkurrenz zu behaupten.
Beide „Lager“ werden gefeiert
Hier drängte sich auch die Frage auf, ob es denn sinnvoll ist, für einen A-Cappella-Wettbewerb sowohl solche Chöre einzuladen, die ihrer Herkunft nach eher dem kirchlich ausgerichteten Repertoire verpflichtet sind und gleichzeitig auch diejenigen, deren Publikum früher seinen Spaß bei den „Flying Pickets“ hatte oder heute bei den „Wise Guys.“ Dass jetzt beide „Lager“, wenn auch mit unterschiedlichem Enthusiasmus, von den Zuhörern gefeiert wurden, spricht dabei durchaus für deren Offenheit und Urteilsvermögen.
Unter dem „ernsten Lager“ ragten insbesondere die Gruppe „Cantemus“ (Thurgau) und die ausschließlich mit Frauen besetzte „vox feminae“ (Zürich) hervor, deren experimentierfreudiger Gesang sich durch eine bezwingende Intensität auszeichnete. Stilsicherheit und Mut zur Improvisation kennzeichnen auch das 16-köpfige „Ensemble Cantissimo“(Bayern), auch wenn diese bei ihrem Auftritt die vorgegebene Zeit von 20 Minuten leicht überschritten haben.