Scharfzüngige Familienstudie
Alan Ayckbourns scharfzüngige Familienstudie dürfte mit „Glückliche Zeiten“ genauso irreführend übersetzt wie als Komödie angekündigt sein. Obschon das Stück eine Vielzahl witziger Momente bereithält, bezieht es seine Stärke aus dem spannenden Verlauf der aufschlußreichen Dialoge der drei Paare: Eltern, zwei Söhne und deren Freundin beziehungsweise Gattin.
Die auftauchenden Konflikte und die Auseinandersetzung damit bergen genügend Potential in sich, um eine ganze Psycho-Tagung zu beherrschen. Wer kennt schließlich nicht jene unglückseligen Partner-Konstellationen, deren unentrinnbare Folgen sich dann meist in der gnadenlosen Frage entladen, in wessen Familie letztlich Weihnachten gefeiert wird: Sohn eins, leider den schönen Musen zugewandt, deshalb von Mutter geliebt und vom Vater (vermögend) selbstverständlich nicht verstanden; Sohn zwei befindet sich hingegen auf dem rechten Karrierepfad, inclusive unglücklicher Frau und heimlicher Freundin, erfährt aber die umgekehrte elterliche Zuwendung. Hier platzt dann noch die viel zu blonde, infolgedessen naive und damit nicht standesgemäße Freundin von Sohn eins hinzu, und fertig sind die Zutaten für die 54. Geburtstagsfeier von Muttern, die vermutlich seit knapp hundert Jahren im gleichen Lokal gefeiert wird. The same procedure …
In einem theatralisch wirkungsvollen Verfahren ordnet Ayckbourn nach der gleichzeitigen Exposition jedem Paar seine Zeit zu: die Eltern in der Gegenwart, Sohn eins mit Freundin in eine immer weiter zurückweichende Vergangenheit, und sein Bruder in die Zukunft, die ihm leider keine „glücklichen Zeiten“ verheißt.
Mit geschickter Hand ist dabei die Auswahl der so unterschiedlichen Charaktere erfolgt. Die oft störende Praxis, einem zugkräftigen Namen einige durchschnittliche Mitspieler beizumischen, fand im gut besuchten Theater keine Anwendung. Selbst wenn Nicole Heesters die dominante Mutter Laura sehr eindringlich gestaltete, so entsprach das eher der Rollenanlage als dem Hang zum Vordrängeln. Joachim Heesters vollführte den Abschied von lieb gewonnenen Zutaten seiner zerbröckelnden Firmenstruktur ebenso
sensibel wie den von manchem Ehe- und Familienideal. Sohn Adam (Tommaso Cacciapuoti) mit seiner aufreizenden Freundin Mureen (Astrid Kohrs) widerstand der Verlockung platter Übertreibung ebenso überzeugend wie Bruder Glyn (Fritz Bleuler) mit Gattin Stephanie (Sabine Becker). Deren Entwicklung vom Leben in diktierten, einengenden Bahnen zu einer selbstbewußten Frau, die sich denn auch folglich vom sehr einsam gewordenen Glyn scheiden lassen möchte, war besonders eindrucksvoll.
Markus Majowski schließlich nutzte sein komödiantisches Talent zu einem hübschen Feuerwerk unterschiedlicher Kellner-Typen mit Bravour; mit herzerfrischenden Einfällen würzte es das überaus problembeladene Stück und trug auf diese Weise zu seinem spannungsvollen Fortgang bei.
So wurde die Ankündigung einer möglicherweise harmlosen Komödie zu einem spannenden, überaus unterhaltsamen Theaterstück, das seinen Stoff genußvoll aus manch vermeintlicher Familienidylle bezog. Herzlicher Beifall für ein homogenes
Schauspielerensemble und ein ermutigendes Beispiel zeitgenössischer Komödienkunst!