Gemeinheiten für den Schluss aufbewahrt
Mit der „Grönholm-Methode“ und „Empfänger unbekannt“, das nur einen Tag zuvor aufgeführt wurde, gab es für die Lindauer ein außerordentlich starkes Theaterwochenende. Beide Stücke beeindruckten durch ihre fesselnde Dramaturgie und eine überraschende Schlusspointe.
Wer weiß: Wenn die Auswahlverfahren um begehrte Managerposten wirklich so brutal sind wie in der „Grönholm-Methode“, dann ist es denkbar, dass manche Skrupellosigkeit im Amt nicht nur einem zweifelhaften Charakter entspringt, sondern dass sie nur eine späte Rache für den entwürdigenden Start ist. Das jedenfalls, was die vier Bewerber der (vermeintlichen) Endrunde an abwegigen Aufgaben bewältigen müssen, um ihr Ziel zu erreichen, dürfte sie für alles Mögliche qualifizieren, aber gewiss nicht für Berufe, wo Moral und Anstand zum Anforderungsprofil gehören.
„Wir suchen ein Arschloch, das nach außen ein guter Mensch ist.“ Dieser Satz, und eben nicht seine Umkehrung, beschreibt die Vorgehensweise im Schauspiel des Spaniers Jordi Galceran. Hinter ihr verbirgt sich ein temporeicher Psychokrieg, der dennoch durchsetzt ist mit Humor, Spannung und ständigen Überraschungen – all jenen Elementen also, die einen Theaterabend zum aufregenden Erlebnis machen können.
Claudia Buser, Carsten Klemm, Peter Papakostidis und vor allem Luc Feit sind die Protagonisten dieser kompakten Inszenierung. An keiner Stelle des Stückes lassen sie die zusätzliche Gemeinheit erahnen, die es sich für den packenden Schluss aufbewahrt hat, und auch an dieser Stelle soll der Aufforderung im Programmheft „Bitte verraten Sie nichts“ nachgekommen werden, doch ja nicht diese impertinente Pointe zu verraten.
Darüber freilich, wie in solchen „Assessement Centers“ gearbeitet wird, um den Wunschkandidaten für einen großen Konzern herauszufiltern, kann man in einem solchen Theaterstück eine Menge erfahren. Und auch darüber, welche Methoden zwischenzeitlich angewandt werden, um den Überlebenskampf in einer Arbeitswelt zu gewinnen, bei der die Ressource Mensch nur noch als Mittel zur Kapitalvermehrung betrachtet wird.
Stück ist aktueller Zeitspiegel
Das mag manchmal übertrieben und grotesk wirken, doch auf der Bühne entwickelt es genau jene Schärfe und Zuspitzung, die ein solches Stück zu einem hochbrisanten und leider auch aktuellen Zeitspiegel machen. Wenn es dann noch eine psychologisch durchdachte Personenführung mit einem hohen Unterhaltungswert verbinden kann, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Beides hat diese Inszenierung von Johannes Zametzer in hohem Maße eingelöst, was am Ende mit lang anhaltendem Beifall belohnt wurde. Auf diesem Niveau wird die laufende Theatersaison wohl weitergehen – denn am kommenden Freitag ist mit „Im Zweifel für den Angeklagten“ schon der nächste Höhepunkt in Sicht.