LINDAU – Beim „Scheibenwischer“ gehört Frank Lüdecke zwischenzeitlich zum Stammpersonal. Dass er einen ganzen Abend aber auch allein mit bestem Kabarett bestreiten kann, hat er im ausverkauften Stadttheater Lindau gezeigt.
Sollte man bei seinem ersten Auftritt nun klatschen oder nicht? Dieses Problem hat Frank Lüdecke im Angesicht der vielen Tagungsgäste charmant und geschickt gelöst: „Ich weiß, in ihrer Praxis klatscht niemand – aber hier können Sie es ruhig tun!“ Erster begeisterter Applaus, dem noch viel folgen sollte.
Oettinger wird veralbert
Lüdecke hat das Feld für sein aktuelles Soloprogramm „Elite für alle“ großzügig abgesteckt und in bester Kabarett-Manier aktualisiert. So fand sich eine nette Ecke, in die er beispielsweise Oettinger stellen konnte (Zitat: „Er hat sich entschuldigt. Das Problem ist, er weiß nicht, wofür“). Viel Raum gab es selbstverständlich auch für Bischof Mixa, die umstrittenen Krippenplätze und die Gebärmaschinen, an die sich Frank Lüdecke gleich zu Beginn wandte: „Liebe Gebärmaschinen!“ Da jedoch das Thema zuallererst um Elite ging, durfte mancher, jedoch bestimmt nicht Hans-Olaf Henkel fehlen. Wie ein roter Faden zog sich sein Name durch den Abend – und Lüdeckes zunehmende Abneigung, ihn überhaupt in den Mund zu nehmen, klang am Ende, als könne man sich allein an seiner Erwähnung anstecken.
Tagungsgerecht steuerte Lüdecke seinen Beitrag zum Thema Neid bei – und was kann sich da besser eignen als der milliardenschwere Geldtransfer in den Osten, wo es zwischenzeitlich „das höchste Obi-pro-Kopf-Aufkommen Europas“ gibt, obwohl er sicher ist, „dass dort nach der Renovierung eh keiner mehr lebt.“ Auch den Zuständen in den Billiglohnländern hat sich Lüdecke genussvoll und mit schwarzem Humor gewidmet. Dazwischen hielt er immer wieder ein paar freche Anspielungen auf die anwesenden Psychotherapeuten bereit – was die aber nicht davon abhielt, ihm besonders lautstark zu applaudieren, als er meinte, dass es eigentlich zu viel davon gäbe.
Politisches Kabarett, das über Elite spricht, kommt aber heutzutage an Bildung und Pisa nicht vorbei – und hier lief Frank Lüdecke zu wahrer Hochform auf. War bis dahin kaum zu verkennen, dass er – durchaus intelligent – mit beifallssicheren Klischees zu jonglieren weiß, so erinnerten jetzt Wortwitz, Schärfe und spürbare Auflehnung an Dieter Hildebrandts Glanzzeiten. Diesem hat er aber immerhin voraus, dass er gelegentlich zur Gitarre greift und ihr ganz beachtliche Klänge entlockt.