Fesselnd und glaubwürdig agiert Kohlund auf der Bühne
„Im Zweifel für den Angeklagten“ – mit diesem Stück hat Christian Kohlund bereits im Januar 2007 in Lindau für ein volles Haus gesorgt. Weil das Stück so gut ankam, hat das Kulturamt Kohlund ein zweites Mal eingeladen. Und auch diesmal begeisterte er das Publikum und bekam am Ende Standing Ovations.
Es ist nicht ohne Reiz, sich als Rezensent Gedanken über ein Stück zu machen, das vor knapp zwei Jahren schon einmal gegeben wurde: Gleiche Inszenierung, gleicher Hauptdarsteller, aber andere Zuschauer – abgesehen von denen, die es vielleicht ein zweites Mal anschauen wollten.
Ohne Zweifel verstand es Christian Kohlund erneut, dem Publikum das Schicksal und die Denkweise jenes legendären amerikanischen Anwalts Clarence Darrow mit bezwingender Intensität und überlegener Schauspielkunst nahezubringen.
Dabei mutete er den Zuhörern durchaus einiges zu, um angesichts der Wortmenge im Ganzen und der Wortgewalt in einzelnen Passagen den Überblick zu bewahren: Grundkenntnisse der amerikanischen Geschichte, ihrer Arbeiterbewegung und des dortigen Justizwesens konnten hier recht hilfreich sein. Gleichwohl gehört es zu den Stärken dieser Inszenierung, dass die Übergänge, welche dieses Einpersonenstück für seine Rollenwechsel benötigte, von Christian Kohlund ebenso eindringlich wie nachvollziehbar bewältigt wurden.
Ob er nun als liebender Ehemann, als Kämpfer für seine Ideale oder als ironischer Erzähler agierte, stets war seine Darstellung durchdrungen von fesselnder Glaubwürdigkeit. Die sensibel beigemischten Musikbeiträge von Klaus Pruenster taten ein Übriges, um auch den dramaturgischen Verlauf auf Höhe zu halten.
Als er gleich zu Beginn seine Verbeugung vor der US-Flagge macht, die sich symbolträchtig neben dem Schreibtisch des hohen Gerichts befindet, hatte man den Eindruck, als fiele ihm diese Geste angesichts der neuen Verhältnisse in Amerika diesmal leichter. Auch wie Darrow seine Eltern beschrieb, die Freidenker und Demokraten und damit selbstverständlich „Intellektuelle“ waren, gehören zu diesen feinen Anspielungen. Entsprechend bekämpfte er die „Fundamentalisten,“ was das damalige Publikum zu Szenenapplaus veranlasste, weil es Parallelen zur amtierenden US-Regierung erkannte.
Gleichwohl blieben die Hauptpunkte und der Kern von Darrows Überzeugungen, die sich vor allem gegen die Todesstrafe richten, im Mittelpunkt auch dieser Aufführung, und sie waren es, die erneut so großen Eindruck auf das Publikum machten. Den
Aufruf, einem Mord, über den zu richten sei, nicht noch einen weiteren durch den Staat hinzuzufügen, gestaltete Christian Kohlund zu einem eindringlichen Plädoyer.
Einblicke in starres Rechtssystem
Darrows Ziel, lieber die Einführung des Acht-Stunden-Tages zu erreichen als Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, klang in seiner Darstellung glaubhaft – ebenso der Rat, lieber Freunde statt Bekanntschaften zu suchen: Es sei denn, man wolle Politiker werden.
„Im Zweifel für den Angeklagten“ hat viele Einblicke in das starre Rechtssystem, insbesondere das amerikanische, gewährt. Darrow hatte viele Gründe für sein Anliegen, doch öfters dieses „Recht durch Gnade zu mildern.“ Immerhin ist es ihm so gelungen, dass kein Einziger seiner 102 Klienten, die mit der Todesstrafe konfrontiert waren, gehenkt wurde.