Begeisterter Applaus für ein starkes Stück
Ein 60-Jähriger Ist von einer 30-Jährigen betört und verlässt deshalb seine Frau. Mit Krista Posch und Max Volkert Martens war eine erstklassige Besetzung aufgeboten, um diese Beziehungstragödie greifbar zu machen. Denn so banal und bekannt die Handlung auch klingt – es wurde großes Theater daraus.
Um Liebe, Leidenschaft und Liebesschmerz geht es an diesem Theaterabend, den das Publikum am Ende mit begeistertem Applaus für ein starkes Stück belohnte. Martina Schütze und Max Volkert Martens verkörpern Claudia und George, eine verführerische Journalistin und ein 60-Jähriger, der ihr rettungslos verfällt. Gewiss, auch sie findet den 60-jährigen George „inspirierend“, schließlich ist er hochintelligent und schaut immer noch gut aus. Was aber soll der schon antworten, wenn sie ein geschickt geführtes Interview mit dem Satz beendet: „Sie wollen also nicht mit mir ins Bett?“ Natürlich will er doch. Und hinterher will er das bisher geführte Leben hinter sich lassen und trennt sich von seiner Frau Honor, mit der er seit 32 Jahren eine achtbare Ehe geführt hat, mit den Worten: „Ich will das alles nicht mehr.“
Darum aber geht es gar nicht in erster Linie in diesem Stück, das die Australierin Joanna Murray-Smith 1995 unter dem Titel „Honour“ veröffentlicht hat und das hier „In allen Ehren“ heißt. Vielmehr versteht es die Autorin, aus wechselnden Dialogen ein kunstvolles Drama zu entwickeln, in dem man eine Menge übers Älterwerden, die Liebe, abtrünnige Männer und den Wert einer Ehe erfährt. Viel ist auch von Würde die Rede, die von der kaltherzigen Claudia als „einziger Vorteil einer älteren Frau“ verhöhnt wird.
Herausragend spielt Krista Posch, die keineswegs als gekränkte Verlassene oder wutschnaubende Rivalin auftrumpft. Bei ihr paaren sich vielmehr feiner Ausdruck mit höchster Spielintensität. Doch stets lässt sie auch die Fassungslosigkeit darüber spüren, wie mühelos George, den Wechsel zur Geliebten und ins neue Leben vollzogen hat.
Krista Posch spielt die nutzlose Einsicht über den weitgehend hormonbedingten Zustand ihres Gegenübers nicht in den Vordergrund – und vielleicht ist es das, was das Stück so authentisch macht: Hier George, dem Max Volkert Martens jenes Maß an Übertriebenheit angedeihen lässt, das Arrogante, Hochintellektuelle und frisch Verliebte so gern überschreiten. Und dort Krista Posch, die offenbar weiß, was eine kluge Frau auszeichnet – und dass ihr das im Zweifelsfall nicht unbedingt nützt.
Am Ende befällt ihn Zweifel
Trotzdem scheint George wenigstens ein leichter Zweifel zu befallen, als Honor ihm auf seinen Scheidungswunsch hin entgegen schleudert: „Wir teilen alles? Dann lass uns auch das Unglück teilen – und ich übernehme einen Teil Deiner neu gewonnenen Freuden.“ Das Weitere lässt die Autorin offen, doch bereits die aufziehende Ernüchterung bei der nächsten Begegnung zwischen Claudia und George lässt erahnen, dass ein junger Körper den Gehalt einer gewachsenen Beziehung wohl kaum ersetzen kann.