Woyzeck (Georg Büchner) (2009 Landestheater Schwaben)

Sicherer Umgang mit Büchners „Woyzeck“

Den normalen Tourneetheaterbetrieb hat wieder einmal das Landestheater Schwaben unterbrochen. Die Memminger spielten Büchners „Woyzeck“ in einer stimmigen Inszenierung im Stadttheater.

Viele kurzfristige Absagen wegen der winterlichen Straßenverhältnisse waren für das nur mäßig besetzte Stadttheater mitverantwortlich. Daß Georg Büchners fragmentarisches Werk jedoch immer noch von seiner Sonderstellung zehren kann, war am hohen Schüleranteil der Besucher abzulesen.

Geschickt wurde zunächst die nach wie vor ungeklärte Frage der Szenenfolge beantwortet; zudem ersparte man sich mit dem ouvertürenhaften Beginn die spätere, wesentlich schwierigere Integrierung. Das stimmungsintensive, aufwendig beleuchtete Bühnenbild mit seiner abenteuerlichen Stühle-Tisch-Konstruktion zeigte sich dem häufigen Szenenwechsel gewachsen und behielt stets das Kleine-Leute-Milieu im Blick. Es mag vielleicht nicht sonderlich originell sein, diese Übergänge mit Musik zu untermalen, doch waren die von Dietrich Stern komponierten Horn-Passagen so dicht und eindrucksvoll, daß sie zum selbstverständlichen Element innerhalb der Inszenierung heranwuchsen.

Erfreuliches gibt es über die Hauptdarsteller zu vermelden: Ralf Weikinger gab einen durch und durch tragischen, von vielerlei Anfällen gezeichneten Woyzeck ohne jegliche Plattheit. Kirsten Ungerathen stand ihm – ihre Lockgebärden in bedrohliche Armut eingebettet – als überzeugende Marie gegenüber. Gefühllos und durchdrungen von seinen haarsträubenden Menschenexperimenten vollführte Peter Pichler den Doktor, und Peter Hoschler wußte den Hauptmann sicher zwischen die Anmaßungen des Vorgesetzten und das Klägliche seiner Angst zu platzieren. Des Tambourmajors dralle Lebens- und Frauenlust fand in Andre Stuchlik anschauliche Verkörperung, und auch Sarah Misiak behauptete sich als Margreth gegenüber der natürlichen Dominanz von Marie.

Ein nackter Männerhintern, der entblößte Oberkörper von Marie: im ausdrucksvollen Zusammenspiel der Akteure gerieten auch solche – durchaus ästhetischen – Unterschiede zu den üblichen Gepflogenheiten von Tourneebühnen nicht in die Nähe billiger Provokation. So darf die Aufgabe, das schwierige Woyzeck-Fragment in dramaturgische Form gebracht zu haben, als gut gelöst betrachtet werden.