Das Gespenst von Canterville (Oscar Wilde)

Gönnerhafter Schlussbeifall für den „Blauen Kater“

Keine Frage: mit den spielerischen Fähigkeiten eines imposanten Christian Bandte (Gespenst) oder einer souveränen Petra Wölfle (Fledermaus) im Rücken läßt sich frohgemut an die Beförderung einer reizvollen Erzählung zum abendfüllenden Theaterstück herangehen. Flankiert von hochmotivierten, offensichtlich gut vorbereiteten Darstellerinnen und Darstellern quer durch alle Rollen dürfte sodann die wichtigste Hürde für eine erfolgreiche Produktion genommen sein. Wenn aber der gönnerhafte Schlussbeifall nach der Premiere des „Blauen Katers“ im Offizierskasino trotzdem nicht zum Jubel werden wollte, der berühmte Funke sich irgendwo im (zu) langen 100-Minuten-Parcours des ersten Teiles verfangen haben muß – was war da geschehen?

Oscar Wilde hat mit der Geschichte des alten Schlossgespenstes, das nach dreihundert schlaflosen Jahren durch die Tränen eines jungen und verliebten Mädchens erlöst  wird, ein Stück geschrieben, das ihm auch zur Gegenüberstellung englischer Adelstradition und amerikanischer Unbelecktheit in diesen Dingen dient. Dieses Gefälle kommt in Elisabeth Gessaus Bearbeitung deutlich zum Tragen. Peter Kristukat verleiht Lord Thomas Canterville aristokratische Würde, sympathischen Humor und überdies versteckten Einblick hinter die brüchige Fassade seines Standes. Lore Schaaf, selbstbewußte Seniorin des „Blauen Katers“ , bedient überzeugend die Erwartungen, die an eine rechte englische Haushälterin gestellt werden – ihre zahlreichen Schreck- und Angstszenen scheinen jedoch noch nicht ganz in den Spielfluss eingebettet zu sein.

Manfred Keckeisen und Christel Wenzel agieren recht plakativ, um das Bild des „typischen“ Amerikaners, Ausgabe Industrieller, zu zeichnen. Die Eindimensionalität vor allem des männlichen Parts schlägt sich hier auch in einer überzeichneten Spielweise nieder. Christel Wenzel hat da wenigstens als verzweifelte Mutter die Möglichkeit, ihrem Schmerz glaubhaften Ausdruck zu verleihen, solange Tochter Virginia das entnervte Gespenst begleitet. Virginia fand in Stephanie Strenler anrührende Gestaltung, doch schienen auch ihr die tragischen Momente besser zu liegen als die Rolle der nur netten Tochter. Sebastian Ströbel schließlich konnte als harmlos verliebter Lord Kenilworth nur eine vergleichsweise unergiebige Rolle bedienen, tat dies aber mit gleichem Engagement wie im Vortrag der weiterführenden Zwischentexte. Für erfrischenden, natürlichen Schwung sorgten Martin Bube und Michael Gutfried als schlitzohrige Lausbuben, die Gespenst und Vater auf Trab hielten.

Besondere Beachtung verdienen die herrlichen Kostüme, die ihren schier ungezügelten Ausdruck in den Verkleidungen des Gespenstes fanden – Kompliment! Um nichts weniger beeindruckte das stimmige Bühnenbild, das geschickt aufgeteilt war und im erhöhten, effektvoll beleuchteten Gespenster-Verlies seinen Höhepunkt fand.

Elisabeth Gessau wird sich der Notwendigkeit griffiger Dialoge bewußt gewesen sein, um das absehbare Geschehen in Fluß zu halten. Unter diesem Aspekt war es ein kluger Einfall, das seelische Befinden des bemitleidenswerten Gespenstes in den Gesprächen mit einer Fledermaus zu beleuchten.

Petra Wölfle tat dies mit vielfältigem Ausdruck in Gestik und Sprache, wobei ihr zusammen mit Christian Bandte das intensivste Zusammenspiel der jeweiligen Paarungen gelang, die häufig mehr auf disziplinierte Vorstellung des eigenen Parts bedacht zu sein schienen denn auf natürliches Zusammenspiel mit dem Gegenüber.

Besonders hervorgehoben sei aber nochmals die Leistung von Christian Bandte, der sich einmal mehr durch farbiges, nuancenreiches, dabei stets kontrolliertes Spiel auszeichnete; er entwickelte seine Rolle über das Stück hinweg und verlieh ihr das, was immer wieder als Mangel der Wilde’schen Figuren erwähnt wird: Charakter.

An ihm, Christian Bandte, jedenfalls war am allerwenigsten festzumachen, daß der Reiz, eine Erzählung dramaturgisch umzusetzen, im Vorfeld vermutlich größer war als die darstellerische Herausforderung an diejenigen, die das Ergebnis dann umzusetzen hatten.

Was bleibt? Auch wenn einige ehemalige zusätzliche „Leistungsträger“ in dem 10-Personen-Stück offenbar nicht mehr berücksichtigt werden konnten, unterstrichen gute bis überragende Darstellungen sowie eine überzeugende Inszenierung die Qualität des „Blauen Katers.“ Der Wunsch aber, demnächst wieder ein „originales“ Theaterstück zu sehen, läßt sich zumindest beim Rezensenten nicht ganz unterdrücken.