Ansichten eines Clowns

Bald 35 Jahre liegt es zurück, seit Heinrich Böll seinen Roman „Ansichten eines Clowns“ veröffentlichte und insbesondere die katholische Kirche damit ärgerte. Und immer noch sorgen Bölls Name und sein berühmtes Stück für ein volles Theater. Bemerkenswert und erfreulich: der hohe Schüleranteil.

Gottlob gerann der sich häufende Schluck aus der Flasche Korn zu Beginn nicht zum plumpen Regieeinfall, und auch der therapeutischen Wirkung des kläglich besungenen „Ave Maria“ sollte sich Clown Schnier hinfort nur zweimal bedienen.

Hans J. Ballmann stellte sich dem zur Szenenfolge adaptierten Roman – und lieferte ein weiteres gelungenes Beispiel für den besonderen Reiz von Ein-Personenstücken. Gewiß, die packende Unmittelbarkeit, die sich jüngst bei „Ich, Feuerbach“ einstellte, mag vielleicht nicht ganz erreicht worden sein. Dies lag aber vor allem an der so ganz anderen Vorlage, die eben nicht so sehr vom spannenden Verlauf bestimmt war.

„Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke“ – so Hans Schniers Motto, das seine Lebensqualität allerdings kaum zum Glänzen bringt. So ziehen denn all die Momente vorbei, in denen sich seine gründliche Abneigung gegen jedwede Machtäußerung offenbart, glaubhaft kommentiert und ausgespielt durch Ballmanns Sprache und Gebärden.

Er erheischt mitleidige Anteilnahme, wenn er vom religiös bestimmten Ende seiner langjährigen Freundschaft mit Marie berichtet, erzeugt mitfühlende Ohnmacht, wenn Bruder und Mutter, und mehr noch der Vater aus ihrer Welt der „Ordnungsprinzipien“ mit ihm zu kommunizieren trachten. Diese Dialoge an jeweils zwei Telefonen, beinahe zu emsig unterstützt durch individuelle Lichteinstellungen, werden zu schauspielerischen Glanzpunkten.

Da walten nicht tragische Clown-Momente, sondern Anwandlungen zwischen großer Traurigkeit und kaum verdeckter Sentimentalität. Und die Betrachtungen, wonach Künstler – und schließlich ist er einer! – ausschließlich über- oder unterbezahlt sind, münden in der spürbar umgesetzten Erkenntnis, daß hier ein unverformbarer Millionärssohn bereits einen Schritt weiter getan hat: nach unten, dorthin, wo sein Künstlertum nicht mehr erkannt und vor allem nicht mehr gefragt ist. Dorthin, wo seinesgleichen Bettler genannt werden.

Ob Bölls „Ansichten eines Clowns“ abermals gut in einem gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Umfeld gedeihen, in dem Stillstand, Rückschritte und die Macht des Stärkeren wieder fröhliche Urständ feiern? Der herzliche Beifall wird jedenfalls Ballmanns intensiver Darstellung gegolten haben, die ein Nachdenken darüber entschieden erleichtern wird.