Herr Karl (Helmut Qualtinger)

Qualtingers „Herr Karl“ fasziniert und stößt zugleich ab

Zu diesem Kabarett-Klassiker hätte man eigentlich einen größeren Andrang erwartet. Für den „erlauchten Kreis“ im Zeughaus, so Vorsitzender Karl Heinz Brombeis, war dies allerdings ein weiterer Höhepunkt vor dem Finale am Donnerstag.

Dass vermutlich wenige Österreicher Lust auf ein Wiedersehen mit Qualtingers „Herrn Karl“ hatten, kann man verstehen. Zu verpönt war diese politische Satire schon bei ihrer Uraufführung vor 45 Jahren – und immer noch kratzt sie unbarmherzig an der nationalen Befindlichkeit der Alpenrepublik. Ihre ungebrochene Popularität aber verdankt sie dem Umstand, dass sie nichts von ihrer Zeitlosigkeit und gesellschaftlichen Brisanz verloren hat, und zwar weit über das österreichische Umfeld hinaus.

Er ist kein sympathischer Mensch, dieser Herr Karl, der jetzt in Wolfgang Graczols Verkörperung vors Publikum tritt, eine Weile lang schweigend auf einer Gurke herumbeißt, um schließlich mit dem Satz „Mir brauch’n S‘ gar nichts erzählen“ einzustimmen. „Rauchen verboten“ so grandelt er, „wie soll da ’ne Unterhaltung zu Stande kommen.“

Es mangelt an Rückgrat

Herr Karl, dessen Hilfsarbeiterjob „Lebensmittelmagazineur“ heißt, hat eine Menge zu erzählen: Es ist die unappetitliche Geschichte eines Mitläufers, der sich durch Anpassung, Mangel an Rückgrat und unsäglichen Opportunismus durchs Leben schlägt. Und weil dieses Leben in den frühen 20er-Jahren auch in Österreich nicht besonders lustig war, zeigt der Herr Karl im weiteren Verlauf der damaligen Geschichte, zu der auch der ganze „Taumel“ um Hitler gehört, wie gut sich’s bei entsprechendem Charakter leben ließ.

Bis 1934 war er Sozialist – „hat ma aa net davon leben können“ -, später demonstriert er für die Schwarzen, naja, „und dann is eh der Hitler kommen, nach diesen furchtbaren, traurigen Jahren…“ Danach, als der Staatsvertrag kommt, sinkt die Begeisterung zwar ein wenig, doch so geübt ist er mittlerweile schon, sein Mäntelchen in Höchstgeschwindigkeit nach dem jeweiligen Wind zu hängen, um sagen zu können: „Auch das hab ich jetzt geschafft!“

Als gebürtiger Wiener und ausgebildeter Schauspieler hat Wolfgang Graczol keinerlei Mühe, Qualtingers Vorgaben kongenial umzusetzen und die entsprechende Atmosphäre aufzubauen. Das Kunststück, gleichzeitig zu faszinieren und abzustoßen, vollführt er in stetigem Kontakt zum Publikum, dem er Herrn Karls bedenkliche Lebenserfahrungen durch scheinbare Überzeugung nahe bringen will. Der Beifall für diese Aufführung ist groß – wohl auch deswegen, weil spürbar wurde, wie das Stück auch Jahre nach seiner Entstehung ein Lehrstück gegen alles Erbärmliche und Feige ist.